6. NAHBELLPREIS 2005: Angelika Janz

Eine fast in Vergessenheit geratene Ex-Düsseldorfer Lyrikerin, die sich in die Natur zurückgezogen hat und deren Gedichtband "orten vernähte alphabetien" 2002 vom Feuilleton unbeachtet im Greifswalder Verlag "Wiecker Bote" erschien



OFF-izielle G&GN-Pressemeldung am 24.6.2005 / Aufgrund gesundheitlicher Probleme unserer administrativen Abteilung können wir leider erst heute unsere Freude darüber offiziell kundtun, dass der -nicht nur in Insiderkreisen- bekannten Lyrikerin Angelika Janz der seit 2000 jährlich vergebene alternative Lyriknobelpreis am 21.6.2005 von der G&GN-Jury einstimmig zugesprochen wurde. Da die finanziellen Engpässe seit der Konkursmeldung des G&GN-Institutes (siehe letzter Newsletter an Abonnenten im Oktober 2004) noch nicht behoben werden konnten, kann kein Festakt ausgerichtet und die Urkunde nur per Post zugestellt werden. Auch fand sich bis heute noch immer kein PRIVATER MÄZEN für das anvisierte Preisgeld von über 10 Millionen Euro pro Kopf, das dazu dienen soll, den Preisträgern zu ermöglichen, LEBENSLÄNGLICH SOUVERÄN AUTONOM SOZIALE POETISCHE PROJEKTE ZU REALISIEREN, ohne die Energien ihres dichterisches Genies permanent im Überlebenskampf zu verschwenden. Bisher konnte darum noch keiner der bisherigen Preisträger die Summe in Empfang nehmen. Das G&GN-Institut will mit dem Nahbellpreis auf den Skandal aufmerkam machen, dass besonders Deutschland gerne als "Land der Dichter und Denker" dargestellt wird, aber die wahren Genies in Wirklichkeit vom Establishment (auch in Schweden) meist komplett ignoriert werden, da sie sich traditionell den jeweils aktuellen Trends & Massenmedienhysterien entziehen, auf die sich das literarisch interessierte Volk von Großkonzernen konditionieren lässt (vgl. dazu die Analyse der Inflation des Popbegriffes hin zur Popperliteratur im Kultbuch "Von Acid nach Adlon und zurück" von Johannes Ullmaier).

Mit freundlichen Grüßen und Glückwünschen aus Berlin
gez. Sebastian Nutzlos (G&GN-Vorsitz seit 1990)


Angelika Janz, geboren 1952 in Düsseldorf, Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie. Museumspädagogin, Autorin und Bildende Künstlerin. In den 80er Jahren zahlreiche Ausstellungen/Publikationen zu Experimenteller Literatur, Konkrete/Visuelle Poesie, Entwicklung des "Fragmenttextes". Zwei Hörspielproduktionen, (Spoken-Word-)Performances, Bildtextcollagen Parisaufenthalte. 1994 Gründung der Jazz-und Lyrikgruppe "Trilemma" mit Auftritten bis 1996. 1993 Rückzug nach Aschersleben bei Ferdinandshof/Vorpommern. Seitdem soziokulturelle Basisarbeit im ländlichen Raum.


Publikationen (Auswahl)
1979 "Der Inbegriff", Erzählungen, Verlag Sassafras Krefeld
1986 "Aus der isolierten Wildnisszene", Künstlerhaus Bethanien Berlin (mit U. Weitmar)
1988 "Das Un", mit Jörg Hoffmann, Berlin
1989 "Selbander", Gedichte, Fragmenttexte, mit U. Weitmar, Edition Howeg, Zürich
1991 "Corridor", Fragmentgedichte, Scherrer & Schmidt, Köln
1995 "Schräge Intention", Gedichte, edition ch, Wien (Hrsg. Franzobel)
1995 "Ein interessantes Frühstück, das im Trend zu liegen gehen lernt", Fragmenttexte 1979 bis 1994 von Deut zu Deutung, Reihe Experimentelle Texte der Universität GH Siegen Nr. 43 (Hrsg. Karl Riha & S.J. Schmidt)
1995 "Fragment als Haltung", Institut für Moderne Kunst Nürnberg, Jahrbuch 1995
2002 "orten vernähte alphabetien", Verlag Wiecker Bote, Greifswald

 

Angelika Janz studierte Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie in Essen und Bochum. Von 1979 bis 1988 war sie Lehrerin und Dozentin der Erwachsenenbildung im Fach Philosophie. Sie ist seit 1977 künstlerisch tätig und erhielt besonders in den 80er Jahren innerhalb der Bildenden Kunst und Literatur einige Preise und Stipendien. Sie entwickelte 1979 den Fragmenttext, der heute Lehrstoff am Germanistischen Institut Greifswald ist. Von 1988 bis 2008 arbeitete sie als feste, freie Mitarbeiterin am Museum Folkwang in Essen im museumspädagogischen Dienst. Angelika Janz ist Verfasserin von Werken in den Genres Lyrik, Prosa, Essay und Visuelle Poesie und beschäftigt sich seit den 70er Jahren mit dem Verhältnis, der Korrespondenz und Vernähung von Bild und Text in der Bildenden Kunst, u. a. mit dem Essay Fragment als Haltung. Sie ist Autorin von 2 produzierten (RIAS Berlin und Radio Bremen) Hörspielen. Ihre künstlerische Vita verzeichnet zahlreiche Einzel- und Gruppen-Ausstellungen im In- und Ausland sowie (Spoken-Word-)Performances. Bis 1996 trat Angelika Janz mit der 1994 von ihr mitgegründeten Jazz- und Lyrikgruppe "Trilemma" u. a. im Kölner Stadtgarten auf. 1993 siedelte sie nach Vorpommern um, wo sie mit ihrem Mann, dem Bildhauer Dieter Eidmann, lebt. Sie gründete und organisierte seitdem in Mecklenburg-Vorpommern zahlreiche soziokulturelle Initiativen und Festivals und arbeitet bis heute vor allem mit Kindern und Jugendlichen auf dem Land. Angelika Janz vereinbart ihre Kinder- und Jugendarbeit mit der Kunst, indem sie z. B. in der KinderAkademie unter dem Motto "Nahsehen statt Fernsehen" Kita- und Schulkindern aller Schulformen spielerisch kulturelle Basisbildung unterrichtsübergreifend näher bringt. Für Jugendliche gründete sie 1998 den Förderverein "Jugendclubs im ländlichen Raum" und erreichte damit, dass über 20 Jugendclubs im einstigen Uecker-Randow-Kreis eingerichtet wurden, von denen aus Kostengründen schon 2010 nur noch wenige existierten. Von 1999 bis 2003 organisierte sie verschiedene soziokulturelle Festivals, wie zum Beispiel die "Polnische Woche 2000" in Mecklenburg-Vorpommern, das Kulturfestival "Nordischer Klang" und "TANZTENDENZEN" in Greifswald. Nach einer Unterbrechung ihrer vielseitigen Tätigkeiten aufgrund einer schweren Krankheit (2003) nahm sie 2005 ihre Arbeit wieder auf. Von 2005 bis 2010 leitete sie die Schreibwerkstatt im NB Radiotreff Neubrandenburg und gab die Dokumentation "Lebensfilme" heraus. Seit 2005 leitet sie das soziokulturelle Projekt "KinderAkademie im ländlichen Raum" und ist seitdem Initiatorin von zahlreichen z. T. auch überregional ausgezeichneten Projekten kultureller Basisbildung mit den Schwerpunkten Gewaltprävention und Inklusion an Schulen und Kitas in ihrer Umgebung. 2014/15 erhält ihr KinderAkademie-Kunst- und Inklusionsprojekt "Nahsehn statt Fernsehn" die bundespräsidiale Auszeichnung als "Ort im Land der Ideen". Seit 2007 leitet sie die Frauenkulturgruppe "Seelenwelten" in Torgelow, die sie in verschiedenen Kulturaktionen mit ihren Kinder- und Jugendgruppen vernetzt.

 

Zahlreiche Gedichtbeispiele auf der Nahbell-Unterseite

Weitere Gedichte im FORUM des Offlyrikfestivals Poesiesalon.de

 


Das späte Nahbell-Interview 2022-2023

"DER ZWEIFEL AM SINN VON SPRACHKONSTRUKTEN"

 

01.Nahbellfrage


Liebe Angelika, nachdem nun bereits 17 Jahre verflossen sind, seitdem Dir 2005 der 6.Nahbellpreis verliehen wurde, also ein ganzes Teenager-Heranwachsen dazwischen liegt, freue ich mich sehr, endlich das Interview mit Dir führen zu können, das damals noch gar nicht als Idee existierte. Anfangs hoffte ich, dass sich die Preisträger an meiner Steilvorlage orientieren würden und eine Preisrede verfassen, aber außer RoN Schmidt, der quasi als Ersatz für eine echte Rede ein spezielles Gedicht schickte, hat niemand bislang eine Preisrede verfasst. Vielleicht gefällt das Format niemandem außer mir, obwohl es ja zu 50% ebenso satirisch zu verstehen ist, wie der Preis selber, aber egal; denn: ein Interview, ganz besonders nach so langer Zeit, ist natürlich ergiebiger für den geneigten Leser als "Voyeur des lyrischen Ichs", wenn ich das mal so lapidar sagen darf... Also, meine liebe Angelika, Du kannst Dir vielleicht denken, mit welcher Frage ich das Interview eröffnen muss: die aktuelle Förderpreisträgerin Meike Wanner wohnt ja in Düsseldorf, so wie 3 weitere. Du bist auch in Düsseldorf geboren, lebst aber schon lange nicht mehr hier. Woran ich mich aber erinnere, ist dass Du einmal erwähntest, damals bereits einen Düsseldorfer Literaturpreis erhalten zu haben, den es dann allerdings nach Dir gar nicht mehr gab. Das klingt nach einer kuriosen Anekdote aus dem Düsseldoofer Literaturklüngel. Magst Du uns darüber erzählen? Wie kam es dazu, wer verlieh den Preis, warum wurde er wieder eingestampft, und und und?

 

01.Nahbellantwort

 

Lieber Tom, das ist allerdings eine kuriose Geschichte, die Gegenstand einer Erzählung "Die Fliege" geworden ist. In dieser Geschichte sind bereits auf merkwürdige Weise Deine Fragen beantwortet bis auf die erste und die letzte: Der Preis wurde von der Stadt Düsseldorf 1981 verliehen, anlässlich der Düsseldorfer Heinetage in der "Kunsthalle und im Haus des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen". Soweit ich erinnere, erhielt Thomas Kling damals den ersten Preis für Lyrik. Ich hatte mich um den Preis für "Experimentelle Literatur" beworben und war eingeladen worden. Wie man in der Schilderung erfährt, war die Lesung hierzu hochspannend für mich als junge Anfängerin in der "Szene", mit der ich allerdings künftig nach dieser Erfahrung ungern in Berührung kam. Übrigens war die damalige Preissumme 1.500 DM, soweit ich erinnere, und ich nahm sie mit nach Paris, in die Cité Internationale des Arts, ich stand schon in den Startlöchern. Warum dieser Preis nach mir eingestampft wurde, ist mir nicht bekannt, vielleicht gab es nach dem beschriebenen kleinen "Eklat" ein "Nachspiel", vielleicht wurde der Begriff "experimentell" in Sachen Literatur infrage gestellt, wie ich es im Übrigen seitdem auch so hielt. Denn Schreiben hat ja immer einen Prozesscharakter und man wagt viel, experimentiert eigentlich unausgesprochen und unausdrücklich immer, wenn man es mit dem Schreiben ernst nimmt. Gestatte mir also, Deine Frage mit "Literatur" zu beantworten, denn eine präzisere und komplexere Antwort kann ich Dir nicht geben, die ich allerdings in der 3. Person schrieb, aus Selbstschutz damals: Die Fliege [Link zur Unterseite mit dem Prosatext] Ich traf genau diesen Professor vor wenigen Jahren wieder. Wir waren gemeinsam zu einer Lesung im Dortmunder Literaturhaus eingeladen. Er war alt und krank geworden. Ich begrüßte ihn wie einen alten Bekannten, obwohl ich ihn über 40 Jahre lang nicht gesehen hatte, und er mich, als einer der maßgeblichen Förderer und Protagonisten visueller und experimenteller Poesie, all die Jahre ignoriert hatte. Ja, es war mir nie gelungen, mit dem Kreis experimenteller Autoren, zu denen er aktiv gehörte, in Kontakt zu treten. Ich hätte einen Austausch mit erfahrenen und für literarische Experimente offenen Kollegen damals sehr gebraucht. Doch die Truppe, die fast nur aus Autoren bestand, gab sich eher elitär und hermetisch. Behäbig und umständlich las er seinen schwierigen Text. Es gibt eine Schwelle, an der sehr kompliziert angelegte Texte ins Banale umkippen und alle komplex formulierten Redundanzen verdorren. Das war mir stets bei seinen Arbeiten aufgefallen. Am Ende meiner Lesung fragte er mich: "Wann haben wir uns eigentlich zum letzten Mal gesehen?" Ich stockte und antwortete etwas zögernd: "Das muss 1981 gewesen sein; bei der Preislesung in der Kunsthalle Düsseldorf. Und vielleicht wenig später noch einmal bei einer Tagung zur Visuellen Poesie im Ruhrgebiet. Danach nie mehr." Ohne darauf einzugehen, nahm er einen dicken Band seiner Texte aus der Tasche. "Das habe ich Dir mitgebracht." Die Widmung stand schon drin. Ich schenkte ihm im Gegenzug mein letzterschienenes dünnes Bändchen mit den Fragmentgedichten "Traue dem Wechsel", das er unverzüglich ergriff und in seiner Aktentasche verschwinden ließ. Eine Woche später erhielt ich eine Mail von ihm: "Bei der visuellen Lektüre Deiner eigenen Arbeiten frage ich mich rückblickend, warum Du damals nicht in den engeren Kreis der "Visuellen"* integriert worden bist - wahrscheinlich warst Du wirklich zu bescheiden - schade. Andererseits hast Du Dir Deine Unabhängigkeit bewahrt, was sicher auch ein Gewinn war."

 

*Autoren und Künstler der Visuellen Poesie in den 70er/80er Jahren

02.Nahbellfrage

 

Solche Erlebnisse wie in Deinem Bericht "Die Fliege" kennt bestimmt so mancher Nachwuchskünstler/-autor, wirklich gruselig! Aber Du hattest auch einmal vor vielen Jahren ein ungewöhnliches positives "kollegiales" Erlebnis mit einem fremden Preisgeld, wenn ich mich richtig erinnere. Es hatte mit Franzobel zu tun, glaube ich? Magst Du die Geschichte vielleicht erzählen?

 

02.Nahbellantwort

 

Die Franzobelgeschichte ist kurz: "Schräge Intention", eine Gedicht-und Prosasammlung, sollte in dem kleinen Wiener Verlag "edition ch" 1995 veröffentlicht werden. Franzobel war der Herausgeber, der - wie ich von seinen Kollegen erfuhr - kurzerhand einen Teil seines damaligen Bachmannpreises im selben Jahr in den Druck investiert hat. Das ist eine wunderbare Geschichte, eine Art Utopie des Umgangs von Autoren miteinander. Ich habe Ähnliches nie wieder erlebt, aber das war ja auch ein Geschenk. Ich denke, dieser Preis damals für Franzobel hat auch den Anschub gegeben für seine danach zunehmende Bekanntheit nicht nur unter den "Avantgardisten" der AutorInnen. Das hat mich sehr gefreut.

 

03.Nahbellfrage

 

Wann bist Du denn aus Düsseldorf weggezogen und warum eigentlich? Bist Du sofort dort im Osten gelandet, wo Du jetzt lebst? Warst Du zu dem Zeitpunkt auf der Höhe Deines Bekanntheitsgrades? Wurden Deine Arbeiten damals in Literaturzeitschriften publiziert? Veröffentlichst Du heutzutage auch noch in irgendwelchen Szeneorganen?

 

03.Nahbellantwort

 

Seit 1991 lebte ich halb, seit 1993 ganz im vorpommerschen Aschersleben, einem 100-Seelendorf nahe Polen. Meine Großmutter stammte aus dem Nachbardorf und ich war als Jugendliche und bis zur Wende mehrfach dort, somit vertraut mit "der DDR". Über damalige Freunde fand ich das alte Speicherhaus aus Gemeindebesitz, das ich ein Jahr später zusammen mit meinem Mann, dem Bildhauer und Maler Dieter Eidmann, umbaute. Wir zogen dorthin "ohne Netz", als Museumspädagogin vom Brotberuf her fand ich hier nur Bushaltestellen, in denen Jugendliche mit Bierkästen saßen und hier und da verstaubte Heimatstuben. Ich bot Kunst-, Hörspiel- und Schreibwerkstätten in Schulen, Kitas und Bibliotheken an. Mitte der 90er begann ich innerhalb von 3 Jahren als ABM-Kraft in einer Strukturentwicklungsgesellschaft, insgesamt fast 30 Jugendclubs in der Region rund um Ferdinandshof und Pasewalk aufzubauen oder wieder zu beleben, oft unter erheblichen Widerständen, denn es begannen sich bereits rechte Szenen zu etablieren, die ich allerdings nicht ausschließen wollte. Jeder Jugendclub erhielt einen ihm gemäßen (auf Wunsch der Jugendlichen) Schwerpunkt wie Autosschrauben, Schreiben und Dichten, einen Biotop errichten, erste PC-Standorte für Bewerbungsschreiben etc. Und es gab sogar Lesungen in den umliegenden Gaststätten und Ausstellungen in leerstehenden Läden und bei Woolworth in Pasewalk. Für mich eine nahezu "Auszeichnung", als Westperson in der ehemaligen DDR an einer Entwicklung teilhaben zu dürfen, die für mich ein absolut spannender Lernprozess war und noch immer ist und keinesfalls einen Besserwessifundus nötig machte bis auf die Vermittlung hier und da, dass man sich gegen Machtanmaßung auch im Kleinen wehren könne. Selten fielen mein Mann und ich überhaupt als "die von drüben" auf, da wir von Anfang an in Hausumbau und Beruf selber wuppten und uns erst einmal an den jeweiligen Situationen orientierten. Mancher "Subotnik" fand hier statt, DDR-tradierte Hilfsaktionen auf dem Grundstück mit ausreichender Bewirtung... Zudem war es fast ein "Heimspiel", denn durch meine Großmutter, die dort gelebt hatte, kannte ich viele Leute, Familien, Zusammenhänge, ja, ich war mit diesen Namen und Insiderwissen rund um meinen neuen Lebensort groß geworden, kannte manche Pfarrer und Bürgermeister.

 

Ja, tatsächlich hatte bei meinem Weggang aus dem Westen so etwas wie eine "Karriere" mit Förderungen, Ausstellungen, Veröffentlichungen in Anthologien/Zeitschriften und Einzelpublikationen begonnen, ein Sprung in ein anderes Medium gar mit der Gründung einer Jazz-und Lyrikgruppe "Trilemma" (mit einem Schlagzeuger und einem Saxophonisten), mit denen ich sogar im Kölner Stadtgarten auftrat. Es häuften sich seit den frühen 80ern westseits Ausstellungen, Lesungen Workshops, Performances - die ich aber auch (anders natürlich) in Stralsund, Torgelow und Greifswald mit Aktionen fortsetzte, wie z.B. "Greif zur Kreide, Greifswald", als ich mit Studenten die gesamte Innenstadt Greifswald mit den Namen der verbrannten Autoren vollschrieb, begleitet von Lesungen an Straßenecken und mit Büchertischen. Eine andere Aktion in Greifswald hieß "Geborgte Erinnerung", mit der ich die Bürger wieder in einer Straßenaktion "Arbeite mit - plane mit - regiere mit" an DDR-Zeiten erinnerte, in denen Künstler auf tragische Weise Verfolgung und Unterdrückung erlitten. Es gab allerdings bei der Akzeptanz meiner Arbeit als Künstlerin und Autorin eine Ausnahme: Während ich mit allen Schichten der Bevölkerung gut klar kam, war es immer wieder schwierig, dies auch mit KollegInnen vom eigenen Fach zu erleben - viele sahen in den Westkollegen eine Konkurrenz, wogegen von unserer Seite eher das Gegenteil vermittelt wurde, wir alles an Preisen, Förderungen etc. gerne weitergaben. In Angermünde erlebte ich eine Art Hasstirade von ehemaligen DDR-Kollegen, als ich eine Vortrag über Avantgarde-Literatur/Kunst in der ehemaligen DDR hielt, die eigentlich gar nicht mir sondern den referierten KollegInnen galt, so dass ich die Veranstaltung verließ - das erste und letzte heftige Mal, bei dem ich mich als Westfrau diffamiert erlebte. Die Förderung des ABM-Jobs als plötzliche Chefin von bis zu 40 Jugendclub-LeiterInnen aus den Dörfern - nach meinem Konzept mit soziokulturellen Schwerpunkten (es waren zumeist ehemalige Arbeiter aus den LPG's wie Melker und Rindermastleute und NVA-Bedienstete, die nach der Wende "in Ungnade gefallen waren", harte Brocken, mit denen ich aber ziemlich schnell klarkam) - war zeitlich auf 4 Jahre befristet und nicht gut bezahlt, so dass ich immer wieder auch im Westen an Urlaubstagen Führungen, Lesungen etc. im museumspädagogischen Bereich übernahm. Nach einem schweren Unfall mit Zwangspause organisierte ich von Ueckermünde aus die "Polnische Woche 2000" mit über 60 z.T. Avantgarde-Veranstaltungen aus der kulturellen Szene der Nachbar-Woiwodschaft Wielkopolska/Großpolen mit Eröffnung im Schweriner Schloss, Schirmherr Johannes Rau und im gesamten Bundesland an vielen Kulturorten eine Woche lang. Es folgten die Leitung der Festivals "Tanztendenzen" und "Nordischer Klang" in Greifswald (Theater und Universität). Nach einem Zusammenbruch und schwerer Krankheit, die mich zwei schwere Jahre kosteten, gründete ich mit intensiver Unterstützung meines Mannes die "KinderAkademie im ländlichen Raum" unter dem Motto "Nahsehn statt Fernsehn", in der es in vielen Werkstätten bis heute um die Vermittlung von Kunst, Literatur, Musik, Geschichte, Naturdiversitäten und stets orientiert an Gewaltprävention weiter ging, sowohl an allen allgemeinbindenden Schulen, in Kitas, in Vereinen wie auch in unserem Atelier und bis heute noch an Sonderschulen. Diese "KinderAkademie" ist nie Verein geworden, sondern war/ist eine "Haltung", eine Einfraubewegung bis heute, von der viele hundert Kinder und Jugendliche in irgendeiner Form profitierten. Wenn gefördert wurde, dann nicht regional, sondern überregional, denn die örtlichen Behörden blieben lange skeptisch, bis es die ersten Auszeichnungen gab, die sie dann gerne selbst entgegen nehmen wollten, ohne dafür einen Finger gerührt zu haben außer mir mal 'ne Ehrenamtsurkunde zu verpassen. Jedes neue Projekt (von ca. 40) wurde mit einer Dokumentation begleitet. Zwei Drittel der meist unbefristeten Arbeitszeit gestaltete sich ehrenamtlich, so dass ich zunehmend weniger Zeit für eigene künstlerische Pläne und Anliegen fand. Es gab schließlich einige Auszeichnungen für diese soziokulturelle Arbeit wie 2008 den "Deutschen lokalen Nachhaltigkeitspreis" in Dresden, da spielte dieser Begriff hier kaum eine Rolle, und schon gar nicht im Kulturbereich. Als mein Mann sehr plötzlich 2017 starb, begann ich, um irgendwie seelisch zu überleben, das "Erinnerungsatelier Dieter Eidmann" aufzubauen, Corona kam dazwischen, und seit Eröffnung im April 2022 fanden 7 vor allem Literaturveranstaltungen (Schwerpunkt 22: Russische und osteuropäische Literatur, siehe Internetseite Dieter Eidmann) statt.

 

Ich selbst bin relativ wenig im Netz unterwegs, da gab es Fixpoetry, Poetenladen, Signaturen, editionslabor, Lyrikzeitung etc. - ja, immer wieder begleitet von Michael Gratz auf verschiedenen Ebenen im Netz, der einer der ersten war, der anläßlich einer Lesung in der Uni Greifswald zu Beginn meines Hierseins bezüglich meiner Fragmente und Gedichte/Prosa dankenswerterweise "am Ball blieb" und immer mal wieder etwas von mir ins Netz stellte, zuletzt ein Dossier. Seit ich hier lebe, hat mein Ehrgeiz auf künstlerischem und literarischem Gebiet bekannt zu werden, merkwürdigerweise nachgelassen. Selten ging ich zu Veranstaltungen, Buchmessen, machte lieber selbst regionale Veranstaltungen für die Leute vor Ort, und nicht einmal mehr Bedauern stellte sich ein, wenn augenscheinlich KollegInnen mich mehrdimensional mit Publikationen und Publizität überholt hatten, wenngleich ein leises Bedauern bleibt, nicht weiter unabhängig davon weiter geschrieben und geforscht zu haben. "Vergeblichkeit ist nicht umsonst", dieser Satz begleitet mich lebenslang, abgelöst von dem Zitat Musils, das bis Anfang der 80er gegolten hatte: "Scheitern ist der Normalfall", der immer sehr tröstlich leuchtete. Um Publikationen kümmerte ich mich nicht mehr ebenfalls seit den frühen 80er Jahren, publizierte meist eher zufällig "auf Anfrage" jüngerer KollegInnen "Corridor" (Köln), "Barackenleben" (Friedland), "Schräge Intention" (Wien), "orten vernähte alphabetien" (Greifswald), "Traue dem Wechsel" (Dortmund), worüber ich mich immer sehr freute und die hier und da Lesungseinladungen zeitigte, zuletzt sogar nach Linz und Wien und später München. Ich arbeite weiterhin kontinuierlicher innerhalb der Kultur-Vermittlung als am Eigenen, was ich - als eine Arbeit Eigengesetzlichkeit - manchmal doch bedauere, weil ich lebenslang "im Kopf" ein Buch nach dem anderen schreibe. Aber es gibt es aus früheren Zeiten einen mittelgroßen Kirschbaumschrank voller Manuskripte, Zeichnungen, Fragmenttexten und Bildtextarbeiten, die durchgearbeitet bzw. digitalisiert werden müssten - eine schier nicht mehr zu bewältigende Aufgabe. Es gilt erst einmal, das Werkverzeichnis meines Mannes zu erstellen, der eher im Verborgenen gearbeitet hatte und wie ich ungern an die Öffentlichkeit ging und für mich ein überaus wichtiger Künstler war und ist. Dann ans eigene "Eingelagerte"  - und es bleiben die Werkstätten vor allem mit Förderkindern und die seit 15 Jahren bestehende Leitung der Kulturgruppe "Seelenwelten" in Torgelow allwöchentlich mit 2 Stunden mit 15 Teilnehmerinnen aus allen Schichten, mit denen ich auf verschiedenen soziokulturellen Ebenen arbeite. Die kann ich vorerst nicht "fallen lassen". Auch die Literaturnachmittage hier in der kulturellen Diaspora werden sich immer wieder neue Themen stellen. Und nicht zuletzt die Arbeit und mein Einsatz seit 2014 hier in der Region für den Artenschutz, immer verbunden mit den Themen in den Kinder-, Jugend- und Erwachsenenwerkstätten. Das übrigens zunehmend gegen die größten Widerstände. Bedeutet, dass man im Grunde eher regional auf seiner "Insel" beharrlich bleiben sollte, statt dem Wunsch nach "global angelegter Geltung" folgen zu wollen.

 

04.Nahbellfrage


Warum verwendest Du die Cut-up-Methode für Deine Textmontagen? Was möchtest Du damit inhaltlich bewirken? Ich muss gestehen, dass ich noch nie begriffen habe, wozu cut-up gut sein soll. Erstmals begegnete mir diese Technik 1993 im Umfeld der Socialbeat-Bewegung und schon damals war mir das zu willkürlich dem Zufall überlassen, was dabei rauskommt, aber Du siehst daran, dass ich eben sehr klassisch orientiert in einem Text nach dem Inhalt, der Aussage, der Message suche, während Deine Montagen auf mich "nur" einen künstlerischen, bildnerischen Wert erkennen lassen, aber keinen literarischen. Ich tue Dir (und anderen Cut-up-Vertretern) bestimmt Unrecht, aber es konnte mir auch bislang keiner erklären, WARUM man das macht, ich meine: als Literat, nicht als Künstler:in! Mit dieser Frage ist auch generell meine Frage verbunden, ob Du bestimmte Themen in Deiner Lyrik verfolgst: gibt es Lebensthemen oder Schwerpunkte bei Dir, irgendwelche Botschaften, die Du immer gerne lyrisch vermitteln möchtest? Oder was bringt Dich überhaupt dazu, Kunst mit Sprache zu machen?


04.Nahbellantwort

 

Cut-up, wie soll es denn anders gehen, wenn ich den (irgendwo gefundenen, ausgeschnittenen und aufgeklebten) Text also: be-schnitten habe, den Rest vernichtet ohne weitere Orientierung daran an den Rändern neu und für mich sinnerfüllt ergänze? Das ist fürwahr eine tautologische Frage. Inhaltlich bewirken? Das gibt mir doch das Textfragment vor, mit dessen "Inhalten" ich meine eigene Befindlichkeit möglichst kurz in Worte zu fassen versuche. Cup-up in Gedichten setzt ja eine Zäsur, die, wie ich finde, subjektiv bleibt. Da, wo der Autor schneidet und neuzeilig beginnt, ist ein Innehalten offenbar angesagt, vielleicht auch eine Vortragshilfe, eine minimale Denkpause. Das hat aber mit den Fragmenttexten gar nichts zu tun, weil ihnen ja cut-up immanent ist. Meine Fragmenttexte sind ein Teil meines literarischen Ichs, sokratisch gesehen spricht hier vielleicht die Sprache zunächst einmal sich selbst, aber auf dem Sprachweg der A. Janz. Ich habe gerade die Fragmente immer dialogisch gesehen, selbstdialogisch, d.h. ich arbeite an ihnen so lange, bis sie in mein Sprachbild gehören und mich zugleich noch überraschen können und weiterführen zu nächsten Denkfarben. Die meisten Themen der Fragmente sind mediumsbezogen, d.h. oft (gerade die früheren) be-fragen das, was ich tue, stellen es infrage, riskieren also auch das, was Du mir unterstellst. Heute würde man das als Autor ziemlich verächtlich sehen, diese kreisende Selbstbezogenheit, aber ich renne ja auch nicht mit einem Spiegel meine Wege entlang, sondern versuche mit meinem Sprachtun neue Wirklichkeiten zu gewinnen, erstmal für mich, ich habe allerseltenst ein Bedürfnis verspürt, mich "verständlich" mitzuteilen. Zur "Kunst mit Sprache" bin ich über das Kunsttun selbst in den 70ern gekommen. Ich nannte es damals noch Hilfskunst. Ich bleibe allerdings von Deiner letzten Frage höchst enttäuscht und frage mich, warum der Nahbellpreis an mich, wenn Du in den Fragmenten allein das Ästhetische siehst. Klar, es sehen meine Augen gern, wenn die Buchstaben sich in Typus und Farbe gegeneinander absetzen. Da beginnt ja schon der Zweifel am Sinn von Sprachkonstrukten. Was sich dir in Sichtnähe aufzählt – die zaghaften Anlässe fürs Orientieren – der Irritation schon verschrieben. Da hebt sich eins aus dem anderen hervor, mit dem Augenschein rechnend. Da wählst du mit Fingerzeig und machst dich auf den Weg. Da erkennt dich niemand wieder, wenn du angekommen bist.

 

04.Nahbellfrage


Warum verwendest Du die Cut-up-Methode für Deine Textmontagen? Was möchtest Du damit inhaltlich bewirken? Ich muss gestehen, dass ich noch nie begriffen habe, wozu cut-up gut sein soll. Erstmals begegnete mir diese Technik 1993 im Umfeld der Socialbeat-Bewegung und schon damals war mir das zu willkürlich dem Zufall überlassen, was dabei rauskommt, aber Du siehst daran, dass ich eben sehr klassisch orientiert in einem Text nach dem Inhalt, der Aussage, der Message suche, während Deine Montagen auf mich "nur" einen künstlerischen, bildnerischen Wert erkennen lassen, aber keinen literarischen. Ich tue Dir (und anderen Cut-up-Vertretern) bestimmt Unrecht, aber es konnte mir auch bislang keiner erklären, WARUM man das macht, ich meine: als Literat, nicht als Künstler:in! Mit dieser Frage ist auch generell meine Frage verbunden, ob Du bestimmte Themen in Deiner Lyrik verfolgst: gibt es Lebensthemen oder Schwerpunkte bei Dir, irgendwelche Botschaften, die Du immer gerne lyrisch vermitteln möchtest? Oder was bringt Dich überhaupt dazu, Kunst mit Sprache zu machen?


04.Nahbellantwort

 

Cut-up, wie soll es denn anders gehen, wenn ich den (irgendwo gefundenen, ausgeschnittenen und aufgeklebten) Text also: be-schnitten habe, den Rest vernichtet ohne weitere Orientierung daran an den Rändern neu und für mich sinnerfüllt ergänze? Das ist fürwahr eine tautologische Frage. Inhaltlich bewirken? Das gibt mir doch das Textfragment vor, mit dessen "Inhalten" ich meine eigene Befindlichkeit möglichst kurz in Worte zu fassen versuche. Cup-up in Gedichten setzt ja eine Zäsur, die, wie ich finde, subjektiv bleibt. Da, wo der Autor schneidet und neuzeilig beginnt, ist ein Innehalten offenbar angesagt, vielleicht auch eine Vortragshilfe, eine minimale Denkpause. Das hat aber mit den Fragmenttexten gar nichts zu tun, weil ihnen ja cut-up immanent ist. Meine Fragmenttexte sind ein Teil meines literarischen Ichs, sokratisch gesehen spricht hier vielleicht die Sprache zunächst einmal sich selbst, aber auf dem Sprachweg der A. Janz. Ich habe gerade die Fragmente immer dialogisch gesehen, selbstdialogisch, d.h. ich arbeite an ihnen so lange, bis sie in mein Sprachbild gehören und mich zugleich noch überraschen können und weiterführen zu nächsten Denkfarben. Die meisten Themen der Fragmente sind mediumsbezogen, d.h. oft (gerade die früheren) be-fragen das, was ich tue, stellen es infrage, riskieren also auch das, was Du mir unterstellst. Heute würde man das als Autor ziemlich verächtlich sehen, diese kreisende Selbstbezogenheit, aber ich renne ja auch nicht mit einem Spiegel meine Wege entlang, sondern versuche mit meinem Sprachtun neue Wirklichkeiten zu gewinnen, erstmal für mich, ich habe allerseltenst ein Bedürfnis verspürt, mich "verständlich" mitzuteilen. Zur "Kunst mit Sprache" bin ich über das Kunsttun selbst in den 70ern gekommen. Ich nannte es damals noch Hilfskunst. Ich bleibe allerdings von Deiner letzten Frage höchst enttäuscht und frage mich, warum der Nahbellpreis an mich, wenn Du in den Fragmenten allein das Ästhetische siehst. Klar, es sehen meine Augen gern, wenn die Buchstaben sich in Typus und Farbe gegeneinander absetzen. Da beginnt ja schon der Zweifel am Sinn von Sprachkonstrukten. Was sich dir in Sichtnähe aufzählt – die zaghaften Anlässe fürs Orientieren – der Irritation schon verschrieben. Da hebt sich eins aus dem anderen hervor, mit dem Augenschein rechnend. Da wählst du mit Fingerzeig und machst dich auf den Weg. Da erkennt dich niemand wieder, wenn du angekommen bist.

 

05.Nahbellfrage


Liebe Angelika, herzlichen Dank für Deine ehrlichen Antworten. Als Du damals den Nahbellpreis verliehen bekamst, war ich mit den Fragmenten noch nicht sehr vertraut, sondern empfand zunächst einmal Deine "normalen" Gedichte als preiswürdig. Umso wichtiger erscheint es mir heutzutage, dass wir dank des Interviews auf diese bildnerische Seite Deines literarischen Gesamtwerks aufmerksam machen konnten. Dank des langen Cut-up-Textes von Boris Kerenski & Marvin Chlada im POESIESALON.DE aus dem Corona-Lockdown wurde ich erst wieder auf diese Technik gestoßen und freue mich zu sehen, wie vielfältig sie sein kann. Ich wünsche Dir weiterhin gutes Gelingen bei all Deinen künstlerisch-literarischen Ambitionen und möchte Dir mit einer letzten Frage das Schlusswort überlassen: Welche Autoren hast Du als junger Mensch gelesen, welche begleiten dich lebenslänglich und welche Lyriker liest Du heutzutage und warum oder warum nicht?


05.Nahbellantwort

 

XXX

 

 


Spiegelfern 1975
Spiegelfern 1975

 

Angelika Janz (Paris 81)


Preispoet


Sobald ich aus dem Gleis spring
wächst mir Gras um meine Schuhe.


Am Halt vorbei weiß ich:
jetzt hab ich Ruhe bis next spring.


Das Maßband um den Leib
schenkt mir paar Zentimeter.


Mir denkt das Tum:
Schreib Spalt einen
pro Tag im Stand:
für später.


Wenn ich ins Gleis zurückfahr
mag mich Spaß nicht
was ich tu.


Ich galt für 2.
Reiß mich zuletzt aus meinem Ruf.


Was ich im Preis
am Stück spar, lässt mich kalt,
weil ich es schuf.

 

 

Aus: schreiben lesen hören,

Klartext Verlag 1993

 

Aktion schreiben wie gehen 1979
Aktion schreiben wie gehen 1979

 

Angelika Janz (31.12.2012 via facebook)


Profane Schöpfung


Notdürftig erklärt sich das All
mit erlöschenden Sternen.
Unser Planet fängt seine Geschichte,
wie das Wild die Beute
an Wasserstellen.


Die Notwelt, die Brotwelt
formt Geschichte in gläserner Prophetie.
Des Kontinents Schwund wärmt
die Gewichte der Welt als Erinnerung
mit den aufschießenden Strahlen,
den aufgerichteten Stacheln
der Angst.
Das Hierland und die altersbeschickte
Oberfläche toter Kulturen
sind zuweilen identisch.


Ein Dorf verkümmert und
ein Mensch schwitzt Gift.
Das Ich endet am Ich
des Nachbarn, der schreibt.
Alle Geschichten münden
in die dunklen Bücher
der Zyniker,
die zu lesen so schwer ist
wie das Wasser zu trinken für Steine
ein Unding bleibt.