Unterschiedlicher könnten die diesjährigen Preisträger nicht sein: während der eine normale Gedichte schreibt, die vom Expressionismus inspiriert sind, hat sich der andere experimentellen Wortspielen verschrieben, die auf die Konkrete Poesie zurückgehen. Ist das erlaubt, ist das zeitgemäß? In den beiden großen Nahbell-Interviews erzählen die Dichter von ihrem poetologischen und lebensweltlichen Hintergrund, der die literaturhistorische Skepsis in Sympathie verwandelt, sowohl für das Expressive als auch das Experimentelle - denn diese "ehrlichen" Dichter schreiben so, wie es für sie am authentischsten ist, ohne sich den Kopf über verkrampfte Kritiker zu zerbrechen, die sowieso immer ein Haar in der Suppe finden. Und eines wird dabei dann deutlich: wer an Traditionen anknüpft, ist nicht automatisch Epigone oder Plagiat! Die Poesie erfindet sich immer wieder neu und ist frei in ihrer Gestaltungskraft, wenn der Mensch frei ist, der zu poetischem Denken neigt...
ZUM INTERVIEW IN VOLLER LÄNGE: HARALD KAPPEL
Zitate aus dem Interview mit dem
22.NAHBELL-HAUPTPREISTRÄGER 2021 HARALD KAPPEL:
Literatur und insbesondere Lyrik erscheinen mir in diesen Monaten einen immer wichtigeren Stellenwert in unseren Köpfen einnehmen zu können (..was bleibt uns auch Anderes übrig...).
Wenn man nicht vor die Tür kommt, kommt man so wenigstens in seinen Kopf... und vielleicht in die Köpfe der Lesenden. Das ist ein Privileg der Worte und Texte und gerade nicht zu
unterschätzen.
Warum ein Gedicht mehr oder weniger gut ist oder empfunden wird, ist für mich eine Frage der Relevanz, des Rhythmus und des Gefühls. Mir gefällt ein Text, wenn er außergewöhnlich ist und nicht
der Gerade bis zum Horizont folgt. Interessant sind die Abzweigungen, die Überraschungen, die Novität, der sprachliche Geschmack, auch die Eleganz.
Über den "Wert" von Gedichten zu entscheiden, halte ich für eine schwierige Aufgabe. Dies zieht sich allerdings durch die gesamte Kunst/Musikszene. Ich glaube, man muss das richtige Maß zwischen
Anspruch und Lesbarkeit finden. Kultur ist nicht nur Verstand und Überlieferung, sondern auch Geschmack, Spass und Relevanz. Was nützt schon der Tiefgang, wenn er keinen
berührt?
Die digitalen Medien spielen meiner Meinung nach heute eine enorme Rolle. Natürlich erhöhen sie den "Bekanntheitsgrad", aber noch wichtiger erscheinen mir die Kontakte zu anderen Schriftstellern,
ihre Erfahrungen und ihr Wissen um Literatur, Vermarktung und ihre diverse Kreativität, die ich ohne Internet so nicht kennengelernt hätte. Seither traue ich mich so zu schreiben, wie ich es
möchte und nicht, wie es erwartet wird.
Gedichte haben meiner Meinung nach die Aufgabe, Denken sichtbar zu machen... vielleicht das Menschliche...? Verantwortlich sind die Verse aber nur für sich selbst und
insofern...frei!
ZUM INTERVIEW IN VOLLER LÄNGE: DER DIGITALPOET
Zitate aus dem Interview mit dem
3.NAHBELL-FÖRDERPREISTRÄGER 2021 DER DIGITALPOET:
der trendgerechte titel deines romans (in einem jahr: bienen-romane und bienengedichte, im nächsten jahr: klimakrimis und coronalyrik) und das renommee deines verlages sind ausschlaggebend für den erfolg, nicht der tatsächliche inhalt. da passiert eigentlich nur noch sehr wenig im literaturbetrieb, es geht nicht um die zukunft der literatur, sondern um das überleben des betriebs!
es ist eine art von minimalistischem abstraktem alphabetischem impressionismus, ich platziere einen buchstaben dort, wo die sonne steht und gebe ihm die farbe des sonnenaufgangs. manchmal entwickelt sich so das gesamte wortbild ganz von alleine, es ist nur ein hinundherschieben und zoomen der zeichen in dem quadratischen blanko, bis alles so passt, dass ich auf speichern klicke!
es geht gar nicht um literatur, sondern nur um authentische lebensintensität. die bewertung der qualität von lyrik ist abhängig von persönlichen vorlieben, nicht vom beherrschen klassischer versmaße oder der anwendung avantgardistischer techniken, geschweige denn vom coolnessfaktor elektronischer, digitaler, multimedialer verfahren.
es gibt letztlich gar keinen unterschied zwischen kunst und kommerz, sondern nur zwischen STARKER (geistig anregender) und SCHWACHER (geistloser) werbung, die als inhalt vermarktet
wird.
konkrete kunst oder visuelle poesie ist eine gratwanderung zwischen selbstzweck und sinn, zwischen der sache an sich und der sehnsucht nach mehr sinn.
wo die auftragsunabhängige "freie" kunst beginnt, da sollte anarchie herrschen und der widerspruch zur konvention!
"Wenn wir dem Homo oeconomicus Einhalt gebieten wollen, brauchen wir dazu eine Waffe, über die er nicht verfügt und deren Wirkkraft er nicht gewachsen ist. Am
besten eine, mit der er überhaupt nichts anzufangen weiß. Es gibt so eine Wunderwaffe. Sie heißt Kreativität und sie entfaltet sich immer dann, wenn wir zweckfrei zu spielen beginnen. Wir können
das auch mit Gedanken, Worten und Begriffen machen. Dann nennen wir dieses Spiel Poesie. Aber nicht jedes Wortspiel ist Poesie. Um Poesie zu einer kreativen Kraft werden zu lassen, reicht es
nicht, schöne Worte aneinanderzureihen. Zu einer Waffe wird die Poesie erst dann, wenn sie unter die Haut geht und die Menschen tief in ihrem Inneren berührt."
Gerald Hüther 2018 im Vorwort des Buches von Konstantin Wecker:
"AUF DER SUCHE NACH DEM WUNDERBAREN - POESIE IST WIDERSTAND"
2019: Das G&GN-Institut nimmt Abschied vom 9.Nahbellpreisträger ~ NACHRUF auf Peter Rech 21.5.1943 - 5.12.2019
2020: Das G&GN-Institut bedauert das Ende des Portals FIXPOETRY ~ NACHRUF auf das Engagement von Julietta Fix
2022: Erstmals wird der Nahbell-NEBENPREIS "für den unerwarteten Essay" vergeben - Hintergrund zur EINFÜHRUNG siehe 2021
2023: Das G&GN-Institut kuratiert die Düsseldorfer Lesung "POESIEPANDEMIE: LYRIK LEBT WEITER!" -
LIVE & CLOSE am 12.
Mai
"Ich bin der reichste Mann der Welt! // Meine silbernen Yachten / schwimmen auf allen Meeren. // Goldne Villen glitzern durch meine Wälder in Japan, / in himmelhohen Alpenseeen spiegeln sich meine Schlösser, / auf tausend Inseln hängen meine purpurnen Gärten. // Ich beachte sie kaum. // An ihren aus Bronze gewundenen Schlangengittern / geh ich vorbei, / über meine Diamantgruben / lass ich die Lämmer grasen. // Die Sonne scheint, / ein Vogel singt, / ich bücke mich / und pflücke eine kleine Wiesenblume. // Und plötzlich weiss ich: ich bin der ärmste Bettler! // Ein Nichts ist meine ganze Herrlichkeit / vor diesem Thautropfen, / der in der Sonne funkelt." Arno Holz (1863-1929)
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