G&GN-INSTITUT @ POESIEPREIS.DE / Seine Gedichte sind beinahe "unlesbar", zumindest nur schwer, aber nicht aufgrund zu hermetischer Metaphern, sondern genau umgekehrt wegen ihrer metapherlosen, aber unkausalen Konkretheit. Die Diskussion um "Lesbarkeit" und "Schwierigkeitsgrad" in der zeitgenössischen Lyrikszene, also die Frage, wie LESBAR oder wie SCHWIERIG ein "gutes" Gedicht sein müsste, diese Diskussion findet in seinem Stil ein erstaunliches Ende: seine Gedichte sind lesbar UND schwierig zugleich, sie nehmen einen mit in einen unbekannten Raum, zeigen dem Leser die Wände und Ausmaße des Raums, aber dieser poetische Raum bleibt trotzdem dunkel, er knipst das Licht nicht einfach an, um billige Tapeten vorzuführen. Es sind Gedichte, die man niemandem ins Poesiealbum kritzeln wollte, weil sie eben so dunkel wirken, fast böse, gemein, gefährlich! GEFÄHRLICHE GEDICHTE! Sie verströmen ein Risiko, sie sind Risikolyrik par excellence! Die Stärke der Werke liegt jenseits jeglicher Erklärbarkeit ihrer Bedeutung, sie haben selber die Bedeutungshoheit als das, was sie sind: Gedichte - wie Blumen, die man auch nicht durch Abzählen der Blütenblätter rational erklären kann.
Ulrich Jösting
Vögel
drehen Herz
zur Leinwand
niemand sieht weg
geht los der heilige Krieg
alle werden sterben
Sohn Tochter
Vater Mutter
so ist das
2. Nahbellfrage (gekürzt):
Worin besteht der Unterschied zwischen Prosa und Lyrik?
"In literaturwissenschaftlichen Kategorien oder marketingorientiertem Labeling mag ich nicht mehr denken und schreiben. Ich versuche, mich beim Schreiben in einem mir bestimmten Emotionsfeld zu bewegen, auf und mit dieser bestimmten Frequenz zu schwingen, der Energiespur zu folgen. Wenn das gelingt, ist ALLES, was entsteht, richtig und gut. Richtig gut. Für mich. Wahrscheinlich mag sich sodann beim Rezipierenden meiner Textgeflechte auch Bewegung ereignen." (aus der 2. Nahbellantwort)
3. Nahbellfrage (gekürzt):
Welche Inspirationsquellen hattest Du, welche Hintergründe nahmen Einfluss?
"Es entstehen ja lyrisch-poetische Texte, weil ich tatsächliche Lebenserfahrungen, Gemütszustände, Geschehnisse gar nicht konkret und real darstellen will und kann, sondern in der Verschlüsselung und Transformation, der Entstellung und Verklärung, der Ungenauigkeit und Mehrdeutigkeit eine Auseinandersetzung, Bewältigung, Befriedigung, ein Ausdrücken erlebe. Den entstandenen Text präsentiere ich dem geneigten Lesenden danach zur eigenen Reflexion. Ich habe kein Qualitätsmanagementsystem, mit dem ich meine Texte bearbeite. Kunst sehe ich als wertfreien Spielraum menschlicher Kreativität, in dem der Kunstschaffende frei von Qualitätsstandards kreieren darf, wie er mag." (aus der 3. Nahbellantwort)
4. Nahbellfrage (gekürzt):
Wann hast Du zum allerersten Mal überhaupt gedichtet?
"Ich habe Befriedigung erfahren, die Schreiben bewirkt, und die magische Kraft entdeckt, mich zu entwickeln, zu befreien, mich und ALLes zu erschaffen, zu begreifen, wenn ich Innenwelten außen in Worten und Sätzen manifestiere. Zwar war ich am Anfang meines Schreibens doch eher der Epik zugeneigt, meinte, der Roman sei die Königsdiziplin der Literatur, aber meine Prosa wollte dann immer mehr nicht wirklich einfach durchschaubar erzählerisch sein, sondern verdichtete sich schon beim Wort, verirrte sich im Satz, verstrickte sich beim Sätzeaneinanderreihen." (aus der 4. Nahbellantwort)
8. Nahbellfrage (gekürzt):
Wie lässt sich der Aufwand für die Kreativität mit Deinem Lebensalltag vereinbaren?
"Das Spannungsfeld zwischen kreativer Leidenschaft und notwendigem Broterwerb durchzieht meinen Lebenslauf konstant und führt immer wieder zu diversen inneren und äußeren Konflikten. Dieser Zwiespalt hat auch schon dazu geführt, dass ich kurzzeitig aus der Textproduktion ausgestiegen bin und vermutlich bewirkt das schwer auszuhaltende Dilemma, dass viele talentierte Künstlerinnen und Künstler letztendlich ganz aus der Kunstwelt ausscheiden und ihre kreative Karriere aufgeben." (aus der 8. Nahbellantwort)
Zum vollständigen Interview: OSNABRÜCKER TEXTFLECHTER
Das Leben trägt weder eine Wahrheit in sich, noch hat es eine Essenz. Es gibt keine tiefere Realität. Es gibt keine Realität, die wahrer oder echter wäre, die besser oder stimmiger wäre, als das, was scheinbar geschieht. Das, was scheinbar geschieht, hat keine Richtung und keine Absicht. Es ist einfach nur es selbst. Alles ist diese natürliche Realität. Die Illusion ist, dass es ein "Ich" gibt in unseren Körpern. Doch da ist überhaupt niemand. Es ist das Ich mitsamt seinem Mangelgefühl, das keine Substanz hat. Wahre Befreiung geschieht im grundlosen Wegfallen der Illusion, "jemand" zu sein. Die Suche endet, weil sich der Sucher als Illusion entpuppt.
Wenn sich die Menschheit an einer Illusion abarbeitet, ist das doch ein zivilisatorischer Skandal? Diese Sehnsucht nach dem vollkommenen Dauerzustand treibt Architekten, Politiker, Ärzte, Künstler und jeden Handwerker an, etwas zu erforschen und zu schaffen, was das Leben angenehmer macht und einen tieferen Sinn spüren lässt. Wie zeigt sich dieser "permanente Kampf", von dem Du sprichst, wenn nicht im Erfindergeist der Genies, deren Ichs der "Hoffnung auf Glück" verfallen sind? Ihre "Trunkenheit der Suche" hat die Zivilisation doch vorangetrieben!
Ich spiele darauf an, dass es diese erfüllte Erfahrung gar nicht braucht. In diesem Sinn ist die Suche selbst eine Sackgasse. Aus dem Ich-Erleben heraus wirkt auch das morgendliche Zähneputzen wie ein kleiner Beitrag auf dem Weg zur persönlichen Erleuchtung. Als bei mir die Illusion des "Ich-Seins" verpufft ist, hat die Suche zwar aufgehört, aber das Zähneputzen nicht. Es stellte sich heraus, dass ich das niemals gemacht habe, um weiterhin auf dem Weg zu bleiben. Es scheint einfach zu geschehen, ohne dass es jemand tut und ohne dass es einem tieferen Zweck dienen muss. Im Gegensatz dazu könnte es im "Ich-Erleben" durchaus den Eindruck geben, dass man gesunde Zähne haben muss, wenn man in der Zukunft eine erfüllte Erfahrung machen möchte.
ERGÄNZEND DAS INTERVIEW MIT DEM PREISSTIFTER DE TOYS ALS GASTAUTOR DER LDL: "TRANSPERSONALES TRAUERTAXI"
2019: Das G&GN-Institut nimmt Abschied vom 9.Nahbellpreisträger ~ NACHRUF auf Peter Rech 21.5.1943 - 5.12.2019
2020: Das G&GN-Institut bedauert das Ende des Portals FIXPOETRY ~ NACHRUF auf das Engagement von Julietta Fix
2022: Erstmals wird der Nahbell-NEBENPREIS "für den unerwarteten Essay" vergeben - Hintergrund zur EINFÜHRUNG siehe 2021
2023: Das G&GN-Institut kuratiert die Düsseldorfer Lesung "POESIEPANDEMIE: LYRIK LEBT WEITER!" -
LIVE & CLOSE am 12.
Mai
"Ich bin der reichste Mann der Welt! // Meine silbernen Yachten / schwimmen auf allen Meeren. // Goldne Villen glitzern durch meine Wälder in Japan, / in himmelhohen Alpenseeen spiegeln sich meine Schlösser, / auf tausend Inseln hängen meine purpurnen Gärten. // Ich beachte sie kaum. // An ihren aus Bronze gewundenen Schlangengittern / geh ich vorbei, / über meine Diamantgruben / lass ich die Lämmer grasen. // Die Sonne scheint, / ein Vogel singt, / ich bücke mich / und pflücke eine kleine Wiesenblume. // Und plötzlich weiss ich: ich bin der ärmste Bettler! // Ein Nichts ist meine ganze Herrlichkeit / vor diesem Thautropfen, / der in der Sonne funkelt." Arno Holz (1863-1929)
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